Sabine Wiedemann
Palliative Care Fachkraft
Die schwersten Wege werden alleine gegangen, die Enttäuschung, der Verlust, das Opfer, sind einsam. Selbst der Tote der jedem Ruf antwortet und sich keiner Bitte versagt steht uns nicht bei und sieht zu ob wir es vermögen.
Die Hände der Lebenden die sich ausstrecken ohne uns zu erreichen sind wie die Äste der Bäume im Winter. alle Vögel schweigen. Man hört nur den eigenen Schritt und den Schritt den der Fuß noch nicht gegangen ist aber gehen wird.
Stehenbleiben und sich Umdrehen hilft nicht. Es muß gegangen sein.
Nimm eine Kerze in die Hand wie in den Katakomben, das kleine Licht atmet kaum. Und doch, wenn du lange gegangen bist, bleibt das Wunder nicht aus, weil das Wunder immer geschieht, und weil wir ohne Gnade nicht leben können: die Kerze wird hell vom freien Atem des Tags, du bläst sie lächelnd aus wenn du in die Sonne tritts und unter den blühenden Gärten die Stadt vor dir liegt und in deinem Haus dir der Tisch weiß gedeckt ist. Und die verlierbaren Lebenden und die unverlierbaren Toten dir das Brot brechen und den Wein reichen - und du ihre Stimme wieder hörst ganz nahe bei deinem Herzen.
Hilde Domin
Einführung in die Begleitung Sterbender im häuslichen Umfeld
Zuhause sterben ist der Wunsch der meisten Menschen.
In den letzten Jahrzehnten wurde das Sterben aus den Familien in die Krankenhäuser verlagert und dadurch die Verantwortung für den eigenen Tod an die Ärzte abgegeben. Seither gab es kaum noch Möglichkeiten Erfahrungen im selbständigen Umgang mit dem Tod zu machen. Sterben in der Familie war bis vor 40 Jahren ganz normale Lebensrealität, die Ärzte kamen ins Haus ihrer Patienten, sie kannten die Familien lange und gut, wenn die Erkrankung als aussichtslos erschien, wurde es zugelassen, dass ein Mensch ohne weiteren Kampf um sein Leben verschied. Sicherlich war die Kontrolle der Symptome nicht in dem Maße möglich, wie wir es heute kennen und viele Kranke hatten leidvolle Wege zu gehen. Mit den Möglichkeiten der modernen Palliativmedizin sind wir heute viel besser ausgestattet, um Leiden zu lindern, doch scheint uns die Furcht davor, nicht alles getan zu haben, von dem abzuhalten, was der Wunsch der Mehrzahl der Menschen ist, zuhause zu sterben. Der Tod wurde durch die Möglichkeiten der modernen Medizin zum Versagen, zum Scheitern im Kampf um ein Leben. Wenn wir das Sterben wieder in die Familien hineinholen wollen, muss weit vorher ein Prozess der Kommunikation begonnen werden, über das, was einem Menschen wichtig ist, was ihn trägt, woran er glaubt, wann für ihn die Grenze erreicht ist, medizinische Möglichkeiten auszuschöpfen zu wollen. Für viele Menschen wäre ein Tod im eigenen Bett möglich, hätten sie sich bewusst hinterfragt und entschieden und hätten die Angehörigen ausreichend Informationen um mit dem Sterben und den dabei auftretenden Symptomen umzugehen. Diese Broschüre will ermutigen, Menschen wieder zuhause zu begleiten, das Wichtigste und durch keine Professionalität zu ersetzende ist Achtsamkeit, Empathie und Liebe. Die meisten Sterbeverläufe von alten Menschen gleichen einem Dahinwelken, hier ist es wichtig zu wissen, welche Erscheinungen spezifisch für den Sterbevorgang sind, was als normal anzusehen ist und somit nicht einer Krankenhauseinweisung bedarf. Aber auch die Symptome Schwerstkranker sind, begleitet durch palliativ medizinische Betreuung, bis auf wenige Ausnahmen, im häuslichen Umfeld zu behandeln. Es gibt eine Reihe unterstützender Dienste für Angehörige, SAPV-Teams sind Einrichtungen der spezialisierten ambulanten palliativen Versorgung, Pflegekräfte und Ärzte unterstützen die Angehörigen und Freunde und leisten die medizinische Behandlung von möglichen Symptomen. Hospizdienste, sind ehrenamtlich tätige, in der Begleitung Sterbender ausgebildete Menschen, die dem familiären Umfeld zur Seite stehen, auch die Pflegekräfte der ambulanten Krankenpflegeeinrichtungen und die Hausärzte stehen in vielen Fällen, wenn der Entschluss klar gefasst ist, den Familien zur Seite. Sterbebegleitung ist fraglos anstrengend, fordernd und bedarf einigen Mutes, wird aber gerade auch deshalb von Angehörigen in der Nachschau als eine sehr wertvolle Zeit in ihrem Leben beschrieben und hinterlässt trotz all der Trauer nach dem Tod des anvertrauten Menschen häufig das Gefühl, gemeinsam etwas vollendet, durchgetragen zu haben.
Gehen Sie los, der Weg wird unter ihren Füssen entstehen und lassen sie sich ein, auf das Geschenk eines jeden Moments.
Am Ende des Lebens, wenn die materiellen Aspekte immer mehr in den Hintergrund geraten, stellt sich oft die Frage nach dem Woher, Wohin und Warum. Begleiter zu sein, bedeutet auch in diesem Bereich, sich zu öffnen, sich berühren zu lassen von diesen unbeantwortbaren letzten Fragen. Die Begleitung bei der spirituellen Spurensuche ist häufig der schwierigste Teil der gemeinsamen Reise, doch auch der, der die meiste Nähe entstehen lässt. Jede Beziehung hat ihre ureigene Sprache oder auch Sprachlosigkeit zum Thema der eigenen Spiritualität. Oft müssen erst Worte gefunden werden, die den Austausch über das woran jemand glaubt möglich machen, Hemmschwellen wollen überwunden werden. Die Frage nach dem was einen Menschen motiviert, was er fürchtet oder hofft bietet die Chance zur tiefen Begegnung und auch zu Einsichten, die unser Leben als Begleiter bereichern können.
Die Kommunikation gelingt oft leichter in einer Bildsprache, Menschen am Ende das Lebens benutzen oft Metaphern um anzusprechen was sie bewegt. Wenn Begleiter sich einlassen können diese Metaphern weiterzuspinnen gelingt Kommunikation aus einer anderen Ebene als der gewohnten materiellen.
Vielen Menschen ist am Ende ihres Lebens wichtig Bilanz zu ziehen und ihr Leben nocheinmal zu betrachten. Wenn uns ein Mensch das Geschenk dieser Offenheit macht können wir gemeinsam mit ihm seine Erfahrungen würdigen, vielleicht auch dem Ungelösten einen neuen Bezugsrahmen geben und danach suchen wie Befriedung möglich wird. Nicht immer können alle Erfahrungen befriedigend eingeordnet werden, doch im Bewusstsein, dass auch Brüche und Fehler zu Menschsein gehören können wir mit den Augen der Gnade auf dieses Erleben blicken.
Sterben bedeutet auch Loslassen des eigenen Ich, jenes Ich das in der Welt gewirkt hat. Im Sterben müssen wir uns Loslösen von dem was wir für die Welt waren. Wie Schichten umgibt unsere Persönlichkeit, mit ihren Vorlieben und Abneigungen, mit ihren Wünschen und Begehrlichkeiten, mit ihren Ängsten, ihrer Scham und Schuld, einen unsterblichen Kern des Sein. Die Seele will wieder durchscheinen durch all die Masken und häufig ist die Arbeit der Loslösung mit Schmerz verbunden, der sich mitunter auch körperlich zeigt.
Doch am Ende zieht oft der Frieden des Erkennens ein. Erkennen einer unauslöschliche Seele, die sich in einem Körper auf eine Reise begeben hat, mit den vielen möglichen Erfahrungen eines Erdenlebens und nun heimkehren darf.
Sabine Wiedemann
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